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In dieser Jahreszeit erkranken viele Menschen wieder an Rhinitis allergica saisonalis, dem Heuschnupfen. Im schulmedizinischen Verständnis liegt ursächlich eine zum Teil genetisch bedingte Überempfindlichkeit des Immunsystems auf Pollen vor, die in dieser Zeit vermehrt in der Luft sind. Es handelt sich um eine Inhalationsallergie, die zu der Reizung der exponierten Schleimhäute führt. Die zentralen Symptome sind Niesen, Nasenlaufen, Augenjucken und -tränen. Die Symptomatik kann von einer milden Reizung bis hin zum Status asthmaticus gehen. In Deutschland nimmt in den letzten Jahren die Allergiehäufigkeit deutlich zu. Fast jeder fünfte Bundesbürger ist von der Pollinosis betroffen. Die moderne Forschung zeigt, dass Asthma, Heuschnupfen und atopische Dermatitis zwar eigene Krankheitsentitäten sind, aber oft in Individuen kombiniert auftreten, da sie gemeinsame genetische Marker haben. Häufig weitet sich dabei über die Jahre das Spektrum der Substanzen aus, auf die ein Mensch allergisch reagiert. Dies wird über Ähnlichkeiten der Oberfläche der die Allergie auslösenden Stoffe erklärt.
Auch im Ᾱyurveda ist eine Erkrankung der Atemwege bekannt, die sich vor allem über Niesen äußert. Die Erkrankung definiert sich, wie viele Erkrankungen im Ᾱyurveda, über ihr Hauptsymptom, das Niesen. Sie wird als eine Störung in den prāṇavaha-srotāṃsī, den Lebenskraft- oder Atem-tragenden Kanälen, verstanden. Verschiedene Formen der Erkrankung werden je nach Verursachung und klinischer Ausprägung der Symptome unterschieden.
Die Erkrankung wird zunächst durch Faktoren verursacht, die den doṣa vāta reizen. vāta ist von den drei Kräften, doṣas, die in der āyurvedischen Medizin beschrieben sind, die schnellste. Mit vāta werden infolge auch pitta oder kapha gereizt, sodass es zu verschiedenen Ausprägungen der Symptomatik der Erkrankung kommen kann.
Zu den vāta-reizenden Faktoren gehört insbesondere das Unterdrücken von natürlichen Impulsen wie Schlafen, Urinieren, Defäkieren, aber auch übermäßiges Denken, Reden, Reisen, Arbeiten, Schlafmangel oder übermäßige sexuelle Betätigung. Auch eine Erkrankung, bei der sich Körpergewebe vermindern oder eine Exposition gegenüber kaltem Wetter können vāta reizen.
In dieser Situation, in der das Individuum durch vāta geschwächt ist, kommt ein kleiner äußerer Reiz wie zum Beispiel das Einatmen von Rauch und Staub oder die Exposition gegenüber Wind und Tau oder eine Veränderung der Wasserqualität hinzu. Dies reicht aus, um das System in die allergische Reaktion kippen zu lassen.
Treten dem noch pitta-reizende Faktoren wie übermäßiger Ärger, gestörte Verdauung oder eine verstärkte Hitze-Exposition des Kopfes oder kapha-reizende Faktoren wie Schlaf am Tag, Kälte-Exposition oder auch nur das Trinken von übermäßig viel Wasser hinzu, werden auch diese doṣas in den Krankheitsprozess einbezogen und verstärken die Störung.
Nach Suśruta, einem der klassischen Autoren des Ᾱyurveda, werden sofort wirkende Ursachen wie die Einatmung von Rauch und Staub, die Exposition gegenüber Kälte, Wind, Tau oder Hitze oder die Unterdrückung der natürlichen Bedürfnisse unterschieden von verzögert wirkende Ursachen wie etwa Schlaf am Tag, der die doṣas reizt, die schon in der Kopfgegend akkumuliert sind.
Die durch die oben beschriebenen ursächlichen Faktoren gereizten doṣas ziehen durch die Kanäle des Körpers. Sie sind immerzu in Bewegung bis sie eine Stelle im Kanalsystem finden, an dem sie sich anhängen können. Dies ist in diesem Falle ein Bereich der prāṇavaha-srotāṃsī in der Region des Kopfes, insbesondere der Nase. Die gereizten doṣas dringen dort in das Gewebe ein, verflüssigen und verdichten sich. Im frustranen Versuch der Selbstheilung versucht der Körper, diese gestörten doṣas in Form von Niesen herauszubekommen.
Die Pollenallergie ist eine Erkrankung der oberen Atemwege. Aus āyurvedischer Sicht wird die durch Reizung zunächst von vāta hervorgerufen, die durch Exposition mit Inhalationsreizen verstärkt wird. Die anderen doṣas können in den Krankheitsprozess mit einbezogen werden, was sich an Veränderungen der Symptomatik zeigt. Die Pollinosis wird im Ᾱyurveda mit einfachen Methoden der Ernährungs- und Verhaltenstherapie angegangen sowie mit Phytopharmaka und äußerlichen Öl- und Wärmetechniken. Bei hartnäckigen und schweren Fällen wird zudem eine pañcakarma-Behandlung empfohlen, um die schwer gereizten doṣas grundsätzlich auszuleiten.