Nachdem die letzten drei Artikel dieser Serie die Fragen beleuchtet haben, ob Yoga überhaupt eine Therapie sein kann, welche Aspekte des Yoga therapeutisch einsetzbar sind und wie der Weg von Yoga zu Yoga-Therapie aussehen sollte, betrachten wir in diesem Artikel konkrete Beispiele wie sich eine Yoga-Therapie bei kranken Menschen auswirkt.

Fallbeispiel: Patient mit chronischen Rückenschmerzen

Vorgeschichte und Beschwerden

Eine Patientin, 59 Jahre, wurde vom Internisten wegen chronischer Schmerzen im unteren Rücken mit Ausstrahlung an das rechte laterale Tibiaplatau überwiesen. Gleichzeitig bestanden Schmerzen im Schulter-Nackenbereich und im dorsalen rechten Handgelenk. Die Patientin war ansonsten bis auf gelegentliche Verdauungsstörungen mit Blähungen und Neigung zur Obstipation gesund. Die Patientin nahm regelmäßig Schmerzmittel und immer wieder Kortison-Stöße zu sich. Eine Versteifungsoperation der lumbalen Wirbelsäule wurde ihr bereits mehrfach angeraten. Die soziale Vorgeschichte ergab, dass sie als Grundschullehrerin in einer Schule mit Ganztagsprofil und einem damit zum Teil überforderten Kollegium arbeitet. Sie ist nach dem Verlust ihrer Familie durch einen Unfall vor 20 Jahren alleinstehend.

Untersuchung

Bei der Untersuchung zeigte sich, dass sie im Lendenwirbelsäulenbereich eine hochgradige Skoliose hat, die in der Bildgebung ausgeprägte degenerative Veränderungen zeigt. Neurologische Defizite lagen nicht vor, wohl aber ein Schmerz im Iliosakralgelenk. Die Nackengegend war fest verspannt und das Handgelenk im Bereich des langen Daumenabspreizers geschwollen mit Druckschmerz über dessen Sehne mit Bewegungsschmerz des Daumens bei Abspreizung und Streckung. Bei der ayurvedischen Untersuchung war weiter festzuhalten, dass der Puls hart und trocken tastbar war. Die Zunge war sauber, trocken und an der Zungenspitze eingezogen. Die Haut war trocken und dünn, die Patientin von mittlerem Körperbau, goldblonden Haaren, blauen Augen und mit warmen Händen. Die Nägel waren gerillt und elastisch. Die Patientin sprach klar, konnte Situationen bildhaft beschreiben und war schnell genervt.

Diagnose

Aus schulmedizinischer Sicht wurden drei Diagnosen festgestellt: ein degeneratives LWS-Syndrom auf dem Boden einer Lumbalskoliose, ein Schulter-Nacken-Syndrom und eine Tendovaginits der Quervain. Aus ayurvedischer Sicht wurde festgehalten, dass die Konstitution pitta-dominant war und die Erkrankung eine Vāta-Störung in den Muskel- und Knochengeweben.

Therapeutisches Vorgehen

Bei Lebensstil und Ernährung spielen yamas und niyamas eine große Rolle. Die Patientin wurde geraten, einen einfachen, klaren und regelmäßigen Lebensstil zu entwickeln und sich warm, gut gewürzt und nahrhaft zu ernähren. Weiterhin wurden Möglichkeiten des emotionalen Schutzes im beruflichen Feld und der Lebensrhythmisierung im privaten Bereich besprochen. Typische ayurvedische Empfehlungen zur Gesundheit wie warm Trinken, Ölziehen und warm Einölen wurden ebenfalls erläutert.

Yoga

Die Patientin erhielt einen therapeutischen Yoga-Einzelunterricht. Seitens der āsana wurden mit ihr Übungen zum Erden und Entspannen, zur Kräftigung und Aufrichtung des Rumpfes sowie zur Lösung der Schulter-Nacken-Gegend und des Beckens erarbeitet. Beim prānāyāma wurde mit Wechselatmung und vertiefter Atmung entlang der Wirbelsäule gearbeitet mit Visualisation von Licht im schmerzhaften Bereich. Ein einfaches Mantra wurde regelmäßig geübt. Zur Entfaltung der therapeutischen Wirkung des Yoga wurde ein tägliches Üben von etwa 15 Minuten empfohlen und von der Patientin auch compliant durchgeführt.

Weitere therapeutische Maßnahmen

Zur Unterstützung von außen bekam sie vor allem anfangs Ganzkörpermassagen in wechselnder Folge mit Rückenölbädern (katibasti), die im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule das warme Kräuteröl halten. Sie erhielt zur innerlichen Unterstützung ayurvedische Kräuter: Ashvagandhā (Withaniasomnifera) und Shallakī (Boswellia serrata) als Kapseln, eine Mischung aus Kurkuma und Pfeffer in Waldhonig sowie einen ayurvedischen Kräuterwein namens Dashamūlārishta.

Therapie-Ergebnis

Die Patientin, der vor der Yoga-Therapie wegen der heftigen chronisch-therapieresistenten Rückenschmerzen eine Versteifungsoperation des Lendenwirbelsäulenbereichs angeraten worden war und die regelmäßig Analgetika nahm, ist inzwischen meistens schmerzfrei. Bei besonderen Belastungssituationen in der Schule unterstützt sie die yoga-therapeutische Schmerztherapie mit der Einnahme einzelner Schmerztabletten. Meist jedoch kann sie den Schmerz selbständig mit Wärmetherapie und durch die regelmäßige Yoga-Praxis wieder besänftigen.

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