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Die Ernährung ist einer der zentralen Aspekte der ayurvedischen Physiologie. Man nennt sie auch »mahausadhi«, die »Große Medizin«, weil durch eine falsche Ernährung schnell Erkrankungen entstehen und ganz ohne Nahrung der Tod eintritt. Auf der anderen Seite werden Menschen durch die gesundheitsfördernde Ernährung kräftig, voller Ausstrahlung und gesund.
Die āyurvedische Pharmakologie, dravyaguṣa, funktioniert also nach anderen Gesetzmäßigkeiten als die moderne Chemie. Diese werden in der āyurvedischen Ernährung kontinuierlich eingesetzt, um das Gleichgewicht der doṣas und den gesunden Aufbau der Gewebe sowie den Erhalt von agni, dem Verdauungsfeuer, zu sichern.
Dafür werden im Āyurveda Ernährungsempfehlungen detailliert in vielen Kapiteln der klassischen Literatur vorgestellt. Alle Autoren befassen sich genau mit den allgemeinen Wirkungen von Lebensmittelgruppen wie Milch, Milchprodukten, Wasser, Zuckerarten, Getreide und Hülsenfrüchte, Öle und Fleisch, Gemüse und Früchte und den Wirkungen der einzelnen Arten dieser Gruppen. Dabei werden alle Lebensmittel – wie auch die Heilkräuter – nach den Kriterien des dravyaguṣa anhand von Geschmack, Eigenschaften, Wirkpotenz, Geschmack nach der Verdauung, der spezifischen Wirkung und der allgemeinen Wirkung beschrieben. Neben den Wirkungen der Einzelsubstanzen wird aufgezeigt, wie durch Verarbeitung, Kombination und Mengenverhältnisse die Wirkung der Nahrung verändert wird. Auch die ernährungstherapeutische Nutzung der Lebensmittel wird beschrieben.
Dies detailliert hier aufzuführen führte zu weit. Die praktische Anwendung dieser Logik zeigt sich aber auch in den allgemeinen Empfehlungen zur āyurvedischen Ernährung, die hier als Umsetzungsbeispiele aufgeführt werden.
Die allgemeinen āyurvedischen Ernährungsempfehlungen beschäftigen sich mit der Ernährung mit
Frische Lebensmittel sollen zur Essenszubereitung ausgewählt werden, denn bei diesen sind die Eigenschaften voll ausgeprägt.
Gemüsen und Getreiden der Saison und der Gegend ist der Vorzug zu geben, denn diese haben die Eigenschaften gewonnen, die notwendig sind, um diesem Klima zu widerstehen.
Es sollte ein ausgeglichenes Maß an verschiedenen Getreiden, Gemüsen und Milch entstehen. Diese Lebensmittel sind reich an Eigenschaften, die die Gewebe nähren. Solange sie nicht einseitig eingesetzt werden, sind die dem Körper damit zugeführten Eigenschaften umfassend vorhanden, was zu einem gesunden Körper führt.
Man sei vielfältig in Gewürzen, vorsichtig mit Salz, Steinsalz wird als bestes angesehen. Gewürze modulieren die Wirkung der Nahrungsmittel und sorgen für eine bessere Verträglichkeit. Salz als vorherrschender Geschmack in der Ernährung sorgt für Verschleimung und reizt kapha und pitta zu sehr. Daher ist eine einseitige Würzform mit Salz ungünstig für die Gesundheit. Steinsalz ist das am besten verträgliche Salz, weil es pitta nicht reizt.
Von kontinuierlichem Verzehr von Trockenfleisch, getrocknetem Gemüse, Fisch, Fleisch von Schwein, Kuh, Wasserbüffel oder Quark wird abgeraten. Alle einseitige Ernährung belastet die Verdauung und vermehrt einseitig die doṣas. Am Abend soll kein unbehandelter Quark gegessen werden, denn der führt zu Verstopfung der Biokanäle.
Alle sechs Geschmacksrichtungen sollten vertreten sein. Dadurch werden die drei doṣas ausgeglichen.
Fisch oder Fleisch sollten nicht mit Milch zusammen gekocht werden, denn sie haben widersprüchliche Wirkstärke (vīrya). Kalte und heiße Lebensmittel sollen aus dem gleichen Grund nicht gleichzeitig gegessen werden.
Man empfiehlt harte Lebensmittel zuerst, weiche in der Mitte und flüssige am Ende. Dadurch wird dem Körper erst Substanz gegeben, die den Speichel und die Verdauungssäfte stimuliert und am Ende die Masse beweglicher und für agni, das Verdauungsfeuer, besser durchdringbar gemacht.
Die Mahlzeit sollte mit süß anfangen, dann salzig und sauer, zum Abschluss bitter, scharf und adstringent. Süß steigert kapha, den doṣa, der für das erste Stadium der Verdauung zuständig ist, salzig und sauer stimulieren pitta, den doṣa, der das zentrale Verdauungsfeuer reguliert und bitter beendet durch seine Leichtheit den Verdauungsvorgang und fördert vāta, den doṣa, der die Stuhlformung und Ausscheidung bestimmt.
Mahlzeiten sollten immer frisch zubereitet werden. Frische Lebensmittelzubereitungen haben die voll ausgeprägten guten Eigenschaften. Sind Dinge schon länger gelagert, beginnt der Verwesungsprozess der Lebensmittel und damit tritt eine Verschlechterung des Wertes der Nahrung ein.
Im Sommer soll kühlenden, leichten Zubereitungen der Vorzug gegeben werden, im Winter wärmenden, schweren. Diese Regel ist die Reaktion auf die Veränderung der Verdauungskraft durch Wetter und Klima.
Der halbe Magen sollte mit fester Nahrung gefüllt werden, ein Viertel mit Flüssigkeit. Ein Viertel sollte frei bleiben. So kann der Magen die Nahrungsmenge gut bewegen und damit dafür Sorge tragen, dass die aufgenommene Nahrung vollständig verstoffwechselt wird.
Anders ausgedrückt sollte man nur so viel essen wie in vier bis sechs Stunden verdaut werden kann. Das ist individuell verschieden, abhängig vom Zustand des Verdauungsfeuers (agni).
Man soll nur dann essen, wenn die vorige Mahlzeit vollständig verdaut ist, sonst kommt es zur Bildung von āma, unvollständig verstoffwechselten Abbauprodukten. Dass die letzte Mahlzeit verdaut ist und agni bereit ist, neue Mahlzeiten zu verdauen, zeigt sich untrüglich am Hunger. Im Allgemeinen sind zwei Mahlzeiten am Tag ausreichend, eine morgens 9 –12 Uhr, eine abends 17–19 Uhr.
Es wird als wichtig hervorgehoben, dass man an einem sauberen, ruhigen Ort mit voller Achtsamkeit und Dankbarkeit isst. Man sollte niemals in Hetze und mit Ablenkung essen. Das Essen sollte weder zu schnell noch zu langsam erfolgen.